Müssen Sie Papierbelege aufbewahren?

von | 26. Dezember 2024 | Rechtliches

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Die Diskussion ob Schweizer KMU die Papierbelege weiterin aufbewahren oder nach dem einscannen entsorgen dürfen, geistert schon seit der 2010 in den Treuhandfirmen umher. Wir wollten dies von der Stelle welche dies regelt genau wissen und haben deshalb die Eidgenössische Steuerverwaltung gefragt.

Ausgangslage im elektronischen Geschäftsverkehr

In unserem Blog Elektronische Rechnung jetzt gleichwertig! haben wir über die Erleichterungen im Bereich des elektronischen Rechnungsversands berichtet:

  • Per 1.1.2018 wurde die für KMU nur schwer zu befolgende Verordnung des EFD über elektronische Daten und Informationen (ElDI-V) aufgehoben;
  • Auch weiterhin muss im Bereich der Archivierung die Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) befolgt werden;
  • Auf der Webseite schreibt die ESTV, dass es keine Pflicht zur digitalen Signatur mehr gibt.

Unsere Fragen an die Hauptabteilung Mehrwertsteuer

Wer gegenüber den Behörden bisher noch auf Nummer sicher gehen wollte, der hat seine Original-Papier-Belege nach wie vor paralell zum einscannen aufbewahrt. Deshalb haben wir für unsere digital orientierten Kunden die wichtigsten noch offenen 6 Fragen an die ESTV gerichtet:

  1. Bezieht sich diese Aussage „Keine Pflicht zur digitalen Signatur“ ausschliesslich auf die Ausstellung respektive den Versand von elektronischen Rechnungen (Rechnung vom KMU an den Kunden)?
  2. Bezieht sich diese Aussage „Keine Pflicht zur digitalen Signatur“ auch auf die Praxis der digitalen Archivierung von beim Lieferanten digitalisierten Belegen (Rechnungen/Quittungen vom Lieferant an KMU?
  3. Gelten in der Praxis auch weiterhin die Regeln, die von GeBüV Art. 9 I b gefordert werden (Zeitstempel, digitale Signatur, Logfiles, dokumentierter Prozess usw.) oder wird der Grundsatz der Beweismittelfreiheit bei einer MWST-Revision höher gewichtet?
  4. Ist eine beim Lieferanten an das KMU auf elektronischem Weg versandte Rechnung und eine Rechnung die der Lieferant postalisch in Papierform verschickt hat und welche beim Rechnungsempfänger (KMU) digitalisiert wurde gleichgestellt?
  5. Erfüllen in der Praxis unsignierte Fotografien von Spesenquittungen die Anforderungen der ESTV, sofern das Papieroriginal entsorgt wurde?
  6. Erfordert die Praxis für den Zeitstempel gemäss GeBüV Art. 9 I b 2 einen qualifizierten Zeitstempel-Service oder genügt auch ein vom Computer generierter Zeitstempel?

Papierbelege vernichten – das sagt die Eidgenössische Steuerverwaltung

Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist im Detail auf unser Anliegen eingegangen und hat unsere Fragen beantwortet:

  1. Die liberale Praxis, nach welcher keine Pflicht zur digitalen Signatur mehr besteht, hatte bereits vor Änderung der rechtlichen Grundlagen im Rahmen der Teilrevision MWSTG am 01. Januar 2018 Bestand;
  2. Es besteht sowohl für elektronisch übermittelte wie auch für elektronisch archivierte Daten keine Pflicht zur digitalen Signatur. Papierbelege, gescannte Papierbelege und elektronische Belege sind dabei gleichgestellt;
  3. Die GebBüV gilt unabhängig vom Steuerrecht. Für die Belange der MWST muss bei steuerrelevanten Daten unabhängig davon ob sie auf Papier oder elektronisch vorliegen, der Nachweis des Ursprungs und der Unveränderheit erbracht werden. Bei elektronischen Daten ist dieser Nachweis perfekt erbracht, wenn die elektronischen Daten digital signiert sind. Die ESTV darf den Nachweis steuerrelevanter Tatsachen aber nicht vom Vorliegen eines bestimmten Beweismittels abhängig machen. Das heisst der Nachweis des Ursprungs und der Unveränderheit kann nicht nur mittels digitaler Signatur erbracht werden, sondern kann auch dann als erbracht angenommen werden, wenn die grundsätze ordnungsmässiger Buchführung nach Art. 957a OR eingehalten sind. Der Papierbeleg, der gescannte Beleg und der elektronische Beleg sind sich gleichgestellt. Die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung gelten für alle Arten von Buchungsbelegen.
  4. Vom Absender elektronisch übermittelte Belege und Papierbelege welche vom Empfänger digitalisiert werden sind gleichgestellt;
  5. Für gescannte Fotografien von Spesenbelegen bedarf es ebenfalls keiner digitalen Signatur. Der Nachweis des Ursprungs und der Unverändertheit kann wiederum auch dann als erbracht angenommen werden, wenn die Grundsätze ordungsmässiger Buchführung nach Art. 957a OR eingehalten sind;
  6. Der qualifizierte Zeitstempel ist dort obligatorisch, wo die qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift zur Einhaltung der Schriftform gleichgestellt wird. Dies gilt nicht für Art. 9 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 GeBüV. Das heisst danach ist ein qiualifizierter Zeitstempel nicht zwingend erforderlich. Jedoch muss der Aufbewahrungspflichtige beweisen können, dass der Zeitstempel unvefälschbar ist. Dies setzt voraus dass die Quelle der Uhrzeit unabhängig bzw. unveränderbar sein muss, was bei einem Zeitstempel einer üblich abgespeicherten Datei basierend auf der System-Uhrzeit eines Computers nicht gewährleistet ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus Sicht der ESTV (und nur aus dieser!), Belege digital archiviert und die Originale vernichtet werden können. Die Pflicht zur digitalen Signatur besteht aus Sicht der ESTV nicht mehr. Über den Grundsatz der Beweismittelfreiheit gemäss Art. 81 Abs. 3 MWSTG kann der Nachweis des Ursprungs auch dann erbracht werden, wenn die Grundsätze ordnungsgemässer Buchhaltung nach Art. 957a OR eingehalten sind.

Papierbelege vernichten? Wie sehen das die anderen Behörden wie Sozialversicherung, Kantonale Steuerämter, Bundessteuer?

Aus der liberalen Praxis der ESTV lässt sich nicht auf die Haltung der anderen Steuerbehörden und Sozialversicherungen schliessen, die ebenfalls Revisionen der Buchhaltungsunterlagen durchführen. Wir haben deshalb auch bei anderen Abteilungen der Steuerverwaltung, bei kantonalen Sozialversicherungen und der Bundesstsuer nachgefragt. Diese bestätigten uns, dass bei einer allfälligen Buchhaltungsprüfung oder UVG/AHV Revision die zur jeweiligen passenden Belege nach ordnungsgemässer Buchhaltung nach Art. 957a OR sofort und problemlos leserlich dem Prüfer vorzuzeigen sind. Ob die Belege in Papierform oder digital am Bildschirm angezeigt werden spielt keine Rolle. Das Prüfpersonal müssen beides akzeptieren.

Fazit

  • Die Steuerbehörden und die Sozialversicherungen akzeptieren elektronische Belege ohne digitale Signatur, Logfiles, Zeitstempel, Prozessdokumentation usw.bei Revisionen und Prüfungen;
  • Die GeBüV verlangt aber wiedersprechend weiterhin genau diese Punkte;
  • Wir digitalisieren seit dem Jahr 2000 Schweizer KMU und haben auf gezielte Rückfrage bei diesen nicht einen einzigen Fall gemeldet erhalten, wo bei Revisionen zwingend Papierbelege verlangt wurden;
  • Wir haben alle unsere eigenen Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Experten, wie auch Revisoren von Sozailversicherungen und kantonale Steuerprüfer befragt – Papierbelege sind nicht zwingend nötig.

Unsere Empfehlung für Schweizer KMU bis 250 Mitarbeiter

KMU DIGITALISIERUNG SCHWEIZ empfiehlt basierend auf den oben genannten Erkenntnissen und der langjährigen Erfahrung unserer Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Betriebsökonomen, dass Schweizer KMU bis 250 Mitarbeiter aller Branchen:

  • Arbeiten Sie in Ihrer Buchhaltung IMMER nach den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung nach Art. 957a, Abs 2 OR;
  • Scannen Sie Papierbelege nach Erhalt immer ein;
  • Scannen Sie die Papierbelege immer als PDF/A Dateiformat ein. Dieses Format ist für nachträgliche Bearbeitung gesperrt und allfällige Manipulationen werden protokolliert;
  • Informieren Sie die Absender der Papierbelege, dass Sie zukünftig wenn beim Abender machbar, alle Belege nur noch elektronisch wünschen;
  • Entsorgen Sie die erhaltenen Papierbelege nach dem Einscannen;
  • Schweizer Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern empfehlen wir auf Grundlage der höheren adminstrativen Komplexität und der daraus resultierenden höheren Schadenrisiken zum Einsatz von digitalen Signaturen und einer professionellen Dokumentenmanagement-Lösung. Nach dem Einscannen der Papierbelege können diese ebenfalls entsorgt werden.

Wie arbeite ich korrekt nach den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung nach Art. 957a, Abs 2 OR?

  1. Alle Geschäftsvorfälle, Sachverhalte und Buchungen in Ihrer Buchhaltung müssen absolut vollständig, wahrheitsgetreu und systematisch erfasst werden!
  2. Für alle Geschäftsvorfälle, Sachverhalte und Buchungen in Ihrer Buchhaltung müssen Belege als Nachweise vorhanden sein – keine Buchung ohne Beleg dazu!
  3. Alle Geschäftsvorfälle, Sachverhalte und Buchungen in Ihrer Buchhaltung müssen absolut klar, einfach und leicht verständlich sein!

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